Das Gesetz
Der ergänzende Leistungsschutz ist im UWG in § 4 Nr. 9 UWG geregelt:
§ 4 Nr. 9 UWG: Unlauter im Sinne des § 3 handelt insbesondere, wer Waren und Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren und Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a. eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b. die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c. die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat.
Einleitung
§ 4 Nr. 9 UWG ist der Not-Nagel der Designer: Wenn das Marken-, Geschmacksmuster- und Urheberrecht versagt, dann bleibt das Wettbewerbsrecht die letzte Hoffnung. Grundsätzlich wird der Betroffene zunächst auf die Sonderrechte verwiesen, denn dann gibt es keinen Grund auf das Wettbewerbsrecht zurückzugreifen. Sofern das Sonderrecht nicht anwendbar ist oder besondere Umstände vorliegen, wird die Anwendbarkeit des UWG jedoch eröffnet. Im Einzelnen bedeutet dies:
– Urheberrecht: Wenn das Erzeugnis ein Werk im Sinne von § 2 UrhG ist, dann scheidet das UWG aus. Obwohl für das Urheberrecht weitestgehend die „kleine Münze“ gilt, reicht diese nicht bei Werken der angewandten Kunst aus. Bei solchen Werken werden sehr hohe Anforderungen an die Gestaltungshöhe gestellt. Ist die erforderliche Gestaltungshöhe nicht vorhanden, dann ist das UWG anwendbar.
– Markenrecht: Bei Markenrecht gilt auch der Grundsatz, dass das Markenrecht vor dem Wettbewerbsrecht Vorrang hat. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn das wettbewerbswidrige Verhalten sich nicht auf eine markenrechtliche Regelung bezieht. Ferner kann ein Markenschutz für nicht eingetragene Marken bestehen, nämlich dann, wenn das Zeichen bekannt ist. Hier ist die entsprechende markenrechtliche Bestimmung vorrangig. Besonderheiten bestehen bei Formmarken. Inzwischen werden Erzeugnisse als dreidimensionale Marke angemeldet, so dass die besondere Form des Erzeugnisses über das Markenrecht geschützt ist, z.B. die Kelly Bag. Im Einzelfall kann das UWG eingreifen, insbesondere wenn die Formmarke (noch) keinen Markenschutz genießt.
– Geschmackmusterrecht: In der Regel werden Designer auf das Geschmacksmusterrecht verwiesen. Liegt ein eingetragenes deutsches Geschmacksmuster oder ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster vor, so richten sich die Rechte des Inhabers nach dem jeweiligen Gesetz. Ist das Erzeugnis nicht eingetragen so kann aber auch ein nicht eingetragenes Geschmacksmuster vorliegen. Hier ist der Schutz auf drei Jahre begrenzt. Ein solches Recht ist auch vorrangig vor dem UWG. Nichtsdestotrotz ist in bestimmten Konstellationen das UWG anwendbar, nämlich wenn das Recht des nicht eingetragenen Geschmacksmusters zeitlich abgelaufen ist, oder wenn die Voraussetzungen eines nicht eingetragenen Geschmackmusters nicht erfüllt sind, z.B. bei fehlender Neuheit.
Wettbewerbshandlung
Kommt man zum Ergebnis, dass kein Sonderrecht vorrangig ist, bleibt zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 4 Nr. 9 UWG erfüllt sind. Wie bei allen Wettbewerbsverletzungen muss eine Wettbewerbshandlung vorliegen. Allerdings verlangt § 4 Nr. 9 UWG, dass die Waren und Dienstleistungen, die der Verletzer anbietet, Nachahmungen seines Mitbewerbers seien. Es muss somit ein konkretes Verhältnis zwischen dem Anbieter und dem Erzeuger des Originals bestehen. Die Begriffe Waren und Dienstleistungen selbst sind weit auszulegen. Wie aber auch beim Urheberrecht können reine Ideen keinen Schutz über das UWG finden. Es muss eine konkrete Gestaltung vorliegen.
Wettbewerbliche Eigenart
Die große Hürde in § 4 Nr. 9 ist das nicht wörtlich erwähnte Erfordernis der wettbewerblichen Eigenart. Die wettbewerbliche Eigenart ist weder mit der im Urheberrecht geforderten geistigen Schöpfung noch mit der im Geschmacksmusterrecht erforderlichen Neuheit gleichzusetzen. Vielmehr muss das Erzeugnis über Merkmale verfügen, die geeignet sind, auf die betriebliche Herkunft oder deren Besonderheiten hinzuweisen. Denn über das UWG sollen keine Allerweltsprodukte, sondern nur besondere, schutzwürdige Erzeugnisse Schutz finden. Allerdings können solche Merkmale wie kreative Schöpfung, neue Gestaltung oder eine gewisse Bekanntheit zur wettbewerblichen Eigenart beitragen. Eine einmal vorhandene Eigenart kann aber auch später entfallen, wenn diese z.B. zu einem Allgemeingut wird. In der Regel ergibt sich die wettbewerbliche Eigenart aus etwaigen ästhetischen oder technischen Merkmalen. Bei Letzteren können allerdings gemeinfreie technische Lösungen oder technische notwendige Gestaltungselemente nicht zur Begründung der wettbewerblichen Eigenart dienen.
Nachahmung
Das Gesetz möchte die „Nachahmung“ verbieten, ohne diese näher zu definieren. Erfasst von der Nachahmung sind daher die unmittelbare Leistungsübernahme, die fast identische Leistungsübernahme und die nachschaffende Leistungsübernahme. Die unmittelbare Leistungsübernahme ist die unveränderte Nutzung einer Leistung eines Dritten. Die fast identische Leistungsübernahme liegt vor, wenn die Übernahme nur geringfügig von dem Original abweicht, so dass der Gesamteindruck im Wesentlichen unverändert bleibt. Bei der nachschaffenden Leistungsübernahme dient das Original als Vorbild. Es muss also im Einzelfall geprüft werden, ob das jüngere Erzeugnis die wesentlichen Elemente des älteren Erzeugnisses übernommen hat.
Verletzungstatbestand
Der ergänzende Leistungsschutz ist in 3 Verletzungstatbestände untergliedert. Für Designer ist insbesondere der Tatbestand der vermeidbaren Herkunftstäuschung hervorzuheben, § 4 Nr. 9 a UWG. Eine solche Herkunftstäuschung liegt vor, wenn der Verkehr davon ausgehen wird, dass die Nachahmung von dem Hersteller des Originals stammt. Dabei kann es sogar ausreichen, wenn der Verkehr davon ausgeht, dass eine gesellschafts- oder lizenzrechtliche Verbindung zwischen dem Hersteller und dem Nachahmer besteht. Allerdings kann keine Wettbewerbsrechtsverletzung vorliegen, wenn die Herkunftstäuschung unvermeidbar ist. Der Nachahmer muss geeignete und zumutbare Maßnahmen ergreifen. Bezüglich der Zumutbarkeit muss dann eine Interessenabwägung der Parteien vorgenommen werden. Besonderheiten müssen bei ästhetischen und technischen Erzeugnissen sowie bei Kompatibilitätsfragen beachtet werden.
Der § 4 Nr. 9 b UWG regelt den Fall, dass durch die Nachahmung eine unangemessene Ausnutzung vorliegt oder eine Beeinträchtigung der Wertschätzung des Originalprodukts eintritt. Hier soll eine Rufausbeutung oder –beeinträchtigung verhindert werden.
Nach § 4 Nr. 9 c UWG wird die unredliche Erlangung von Kenntnissen und Unterlagen verboten. Mit dem Merkmal „unredlich“ ist strafbares Handeln gemeint.
Es gibt auch noch die ungeschriebene Fallgruppe der Behinderung. Eine solche Behinderung liegt vor, wenn durch die Handlungen des Nachahmers die Vermarktung der Originalware verhindert wird. Dies kann der Fall sein, wenn der Preis des Originalerzeugnisses systematisch unterboten wird oder die Produkte des Herstellers/Schöpfers systematisch nachgeahmt werden.
Susan B. Rausch
Rechtsanwältin